„Sharing is Caring“

Architekt Daniel Weiss eröffnete er 2011 in seiner oberbayerischen Heimatstadt Eichstätt das Studio weiss architekten

Interview mit # Daniel Weiss, Architekt:

Stadt oder Land als Heimat gestalten, wie kann das funktionieren?

Daniel Weiss: Sowohl in der Stadt als auch auf dem Land ist es wichtig, eine gemeinschaftliche Identitätsbildung zu fördern.In der Stadt ist der am meisten frequentierte Bewegungsradius das eigene Viertel. Dieses Viertel sollte lebenswert, mit tagtäglich benötigten Versorgungsmöglichkeiten bestückt sein und eigene, in Konkurrenz zu anderen Stadtvierteln spezielle, öffentliche Aufenthaltsbereiche vorweisen können.

Beispiele hierfür sind das sogenannte „Urban Gardening“, Quartierscafés oder auch spezielle, regionale Handwerkstätigkeiten.

Auch auf dem Land sollten wieder zentrumsnah Orte entstehen, die lebenswert sind, und öffentliche Aufenthaltsqualitäten bieten können. Die Dorfmitte als gemeinsamer Treffpunkt, der Dorfbaum mit Sitzmöglichkeiten, ein Brunnen, der kleine lokale Laden mit Café  sind nur einige Beispiele hierfür.

Durch die Instrumente der Bürgerbeteiligung, einem gemeinsamen Entwerfen, Gestalten und Umsetzen von Projekten, kann der Identitätsbezug wieder verstärkt werden.

Grundstücksflächen sind knapp, Rohstoffe auch – wie muss dann Bauen und Wohnen in Zukunft gedacht werden? Weiss: Erhaltenswerte Wohn-, Geschäfts- und Gewerbegebäude müssen saniert und nachverdichtet werden. Stichworte in diesem Zusammenhang sind Revitalisierung, Dachgeschossausbauten und -Aufbauten, Umnutzungen und Ergänzungen städtebaulicher Lücken.

Die Größe des gewünschten Wohnraums könnte in Quartieren kleiner gestaltet werden, wenn Gemeinschaftsbereiche wie zum Beispiel Co-Working-Spaces, Gästezimmer, Sauna, etc. mehreren Nutzern gleichzeitig zur Verfügung stehen würde. Gemeinsam belebte Orte sparen Platz, und fördern die Kommunikation sowie den Gemeinschaftssinn. Nicht jede Wohnung braucht den Luxus eines eigenen Arbeitszimmers, Gästeraums, Spa-Bereichs, Gartens, oder „Sharing is caring“.

Momentan wird auch zu viel Platz dem privaten Auto zugeschlagen – Parkraumflächen bieten ein hohes Nachverdichtungspotential sowohl in der Stadt als auch auf dem Land. Auch hier bietet sich das Sharingmodell an.

Bei Rohstoffen sollte wieder mehr der regionale Bezug bei der Auswahl der Materialien und Unternehmer in die Planung und Durchführung von Baumaßnahmen mit einfließen. Zertifizierungssysteme, Zulassungsvoraussetzungen, Normen und Ordnungen (z. B. VOB) müssen hierfür allerdings überarbeitet bzw. erst neu geschaffen werden.

Wie wichtig ist Kultur für ein funktionierendes (Wohlfühl-) Stadtleben?

Weiss: Kultur schafft ein gemeinsames und echtes Zusammenleben – analog und nicht nur in der virtuellen Welt. Dieses echte Zusammenleben fördert das vorher erwähnte Identitätsgefühl, und das nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land.

Kultur ist also für ein gemeinsames, interessantes, identitätsstiftendes und friedvolles Zusammenleben wahnsinnig wichtig.

Herausforderungen und Ziele der Stadtentwicklung – eine Gemeinschaftsaufgabe mit komplexen Herausforderungen, weil …? ….wir nur alle gemeinsam diese Aufgabe lösen können.

Politik, Rechts-, Steuer – und Normensysteme müssen angepasst werden, Behörden, Soziologen, Planer und Nutzer müssen zusammen Entscheidungen treffen – ein langwieriger Prozess, aber am Ende bestimmt mit einem maßgeschneiderten Ergebnis für alle.

Warum müssen zum Beispiel die Steuersysteme geändert werden? Die Gewerbesteuereinnahmen fließen momentan direkt den Gemeinden und Städten zu. Somit hat jedes noch so schön gelegenes Dorf großes Interesse daran, Gewerbe anzusiedeln. Oft sind jetzt schon die Gewerbeansiedlungen, die wie ein Fremdkörper neben den Ortschaften liegen, größer als das eigentliche Dorf, der Flächenverbrauch ist riesig, das Verkehrsaufkommen immens und die landschaftsprägenden Dörfer gehen letzten Endes in dieser ländlichen Industrialisierung unter.

Ein steuerlicher Finanzausgleich unter den Gemeinden, Städten und Ländern könnte eine Ansiedlung von Gewerbe an strategisch wichtigen Knotenpunkten fördern, und würde nicht jedes einzelne Dorf  –und damit ursprüngliche Strukturen – zerstören.

Muss das Bauen verboten werden bzw. bauen wir am Bedarf vorbei? Weiss: Natürlich muss weiter gebaut werden, dennoch sollte erst der Bestand genauestens überprüft werden.  Nutzungskonzepte können verschmelzen, Raumnutzungen somit zusammengelegt werden, Home-Office, Co-Working-Spaces etc. werden eine größere Rolle spielen.

Auch im privaten Bereich sind die momentanen Wunschvorstellungen und Moden nicht nachhaltig, denn auch hier können gemeinsame Nutzungen realisiert werden, und würden somit den individuellen Flächenverbrauch verringern.

Es ist wichtig, erst den tatsächlichen Bedarf zu ermitteln, um dann in einem zweiten Schritt herauszufinden, welche Nutzungen Synergien ergeben könnten. Erst danach kann ein perfekt ausgelastetes und effizientes Raumprogramm erstellt werden, welches flächensparend und kostengünstig beplant werden kann.

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Spannende Bauwerke Konzepte in Eichstätt und der Region: Anbau an den historischen Gartenpavillon in Eichstätt:

https://w-e-i-s-s.com/project/erweiterung-eines-historischen-gartenpavillons/

Ein Mini-Pavillon wird durch Anbau zum Familienhaus, und kann nach Auszug der Kinder in drei verschiedene Wohneinheiten unterteilt werden. Sanierung und Anbau eines 70er Jahre Hauses im Altmühltal, Obereichstätt:

https://w-e-i-s-s.com/project/um-und-anbau-eines-einfamilienhauses/

Ein bestehendes 70er Jahre Haus wurde durch einen Anbau in ein Mehrgenerationen-Haus umgewandelt.